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Wie geht’s eigentlich mit der (digitalen Bildung) Medienkompetenz weiter?

Momentan weiß ich nicht, ob ich nur wegen meiner Filterblase sehr häufig, vor allem aus der Politik, von Schlagwörtern wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz oder Virtual Reality höre. Ich versuchte deshalb kürzlich, mir ein objektives Bild des Status Quo zu verschaffen. Immerhin sagte mir eine Lehrerin auf der Bildungsmesse didacta 2018 in Hannover, dass sie die Digitalisierung ja gerne von ihrem Sohn ferngehalten hätte, “aber der bringt sich das Programmieren ja sowieso selbst bei” (WHAAAAAAT). Kurze Zeit später teilte mir der Geschäftsführer eines Handwerksbetriebs aus Berlin mit, dass er auch bald eine Facebook Seite für die Nachwuchsgewinnung machen möchte. Warum auch nicht, die zunehmende Nutzergruppe der Ü55 Jährigen wird sie sicher wie verrückt teilen, weil die Kampagne so “peppig” daherkommt. Ich habe also meine Perspektive als Mitgründer eines Start-ups aus der digitalen Bildung verlassen und durchforstete die Tagespresse und natürlich die beliebteste Suchmaschine, um zu schauen was noch so in der Bildungslandschaft in Deutschland und der Welt abgeht. Und siehe da, immerhin scheint im deutschen Bildungsapparat nicht zuletzt durch das Strategiepapier “Bildung in der digitalen Welt” der KMK etwas ins Rollen gekommen zu sein — Die Frage die sich mir jetzt allerdings stellte war: Wohin rollen wir?

Wer setzt digitale Bildung in Deutschland um und wenn ja, wie viele?

Auf jeden Fall hat sich in der letzten Zeit einiges bewegt. Es gibt unendlich viele Ideen, viele Akteure (einer davon sind wir) und plötzlich eine Menge Politiker*innen, die das Thema Digitalisierung oder konkret digitale Bildung auf der Agenda haben. Man hört jedoch auch Rufe wie “Ach, das mit der Digitalisierung wird noch ewig dauern”. An dieser Stelle halte ich viel von der Aussage von Michael Peneder, Experte für Innovation und Strukturwandel am Wirtschaftsforschungsinstitut in Wien, aus einem Artikel der Neuen Züricher Zeitung, die das Problem kurz und prägnant zusammenfasst:

„Auswirkungen von Technologie werden gerne kurzfristig überschätzt, aber langfristig unterschätzt.”

Ok, wir sollten jetzt nicht in Panik ausbrechen, aber wir müssen (strukturiert) für die Zukunft handeln – nicht zuletzt unsere neue Staatsministerin für Digitales Dorothee Bär. Aber wohin geht jetzt eigentlich die Reise? Ein Digitalministerium soll es ja nicht geben, koordiniert Bär das Thema dann zukünftig alleine? Überall ploppen in Deutschland Start-ups aus dem Boden und wie es sich gehört, hat man sich gleich ein schickes Label für die eigene “Hightech Bildungsbranche” gegeben: Edtech. Wir sind jetzt also auch ein Edtech Start-up (nicht zu verwechseln mit Adtech). Ich finde das toll, denn jetzt kann ich bei einer Flasche Mate am Shared-Workspace endlich sagen: “Ich bin Co-Founder eines Edtech-Startups” und nicht: “Wir haben was im Bildungsbereich gegründet”. Aber das löst noch nicht das Problem, dass wir heute Jugendliche, die als Digital Natives aufwachsen, beim Thema Medienkompetenz quasi als Autodidakten sich selbst überlassen, statt ihnen die Türen des individuellen Lernens zu öffnen. Und noch schlimmer, wir kommen dann auch noch wie beim o. g. Beispiel Jahre zu spät mit Konzepten um die Ecke, die den Jugendlich allenfalls ein müdes Gähnen entlocken.

Eine neue Technologie macht noch keine Lösung

“Wir machen jetzt auch was mit VR”, höre ich immer wieder. Aus meiner Sicht begehen wir in der Medienbildung momentan ähnlich fatale Fehler wie schon beim Thema Berufsorientierung. Zu viele Akteure schaffen Insellösungen und sorgen bestenfalls für Überforderung. Neben unzähligen schlechten (von einschläfernd bis brechreizerregend) sind auch viele gute Lösungsansätze und Ideen dabei. Mangels Breitenwirksamkeit und Sichtbarkeit lösen sie trotzdem nicht die brennenden und regional unterschiedlich ausgeprägten Themen wie Nachwuchsmangel, Passungsprobleme oder Ausbildungsabbrüche (s. Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2017) im Ausbildungsmarkt. Statt gemeinsam integrierte Konzepte zu entwickeln, streiten sich viele Akteure um den Platz an der Spitze und verlieren ihre Wirkung dabei mehr und mehr aus den Augen.

Aus meiner Sicht fehlt hier ein koordinierter Versuch, die unterschiedlichen Akteure intelligent miteinander zu vernetzen ebenso wie ein konkreter Maßnahmenplan verbunden mit ausreichenden Förderprogrammen zur Umsetzung der formulierten Visionen. Man sollte ja im 21. Jahrhundert immerhin davon ausgehen dürfen, dass doch gerade wegen der Digitalisierung die Vernetzung und Schaffung von Synergien kein Hexenwerk mehr ist. Achso, wir sind ja noch beim Breitbandausbau. Ich kann mich aber auch nach verlockenden Hilferufen nach einem Digitalministerium erinnern, die unlängst u. a. durch unsere Staatsministerin für Digitales abmoderiert wurden (einen Beitrag dazu von t3n).

Ich habe schon einige (aus meiner Perspektive) ziemlich vernünftig klingende Ideen und Visionen gehört, nur leider sind Richard David Precht (ein gutes Beispiel zum Thema Bildungsreform) und Sascha Lobo (noch ein gutes Beispiel) keine Politiker. Einige Ideen haben schon Staub angesetzt, weil sie im Netz so lange und sehnsüchtig auf ihre Umsetzung warten, während die Themen Medienkompetenz und digitale Bildung an den Schulen mehr oder weniger seit Jahren vor sich hin mäandern.

Medienkompetenz ist der Schlüssel für die Teilhabe in unserer Gesellschaft

An dieser Stelle möchte ich gerne allen Menschen, denen diese doch recht schnell voranschreitende globale Entwicklung der Digitalisierung Sorgen bereitet, eines mitgeben: Wir reden nicht von Digitalisierung oder digitaler Bildung, um aus jedem Vorschulkind einen Computer-Nerd zu machen. Es geht nicht darum, dass die Menschheit in zwanzig Jahren nur noch programmieren und analysieren wird und wir das komplette Handwerk automatisieren. Es geht schlichtweg um das Erlangen von umfassender Medienkompetenz und darum, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen proaktiv auf ihre Zukunft vorbereiten und Wege zum selbstbestimmten Lernen aufzeigen. Ich will hier auch nicht die Arbeit der Lehrkräfte schlecht reden. Man findet bei Twitter, anderen sozialen Netzwerken und noch besser im persönlichen Austausch, viele Lehrerinnen und Lehrer, die zeigen, wie sie mit viel Enthusiasmus und Kreativität die Sache selbst in die Hand nehmen. Medienbildung muss zu einem zentralen Thema in der Bildung werden — PUNKT.

„Eine umfassende Medienbildung – bestehend aus Medienkunde, Mediennutzung, Mediengestaltung und Medienkritik – ist der grundlegende Auftrag einer Digitalisierung im Bildungsbereich.“ Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik, Süddeutsche Zeitung 24./25.02.2018

Medienkompetenz inklusive Informationskompetenz wird damit zur Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts, vergleichbar dem Lesen, Schreiben und Rechnen. Und dafür brauchen wir flächendeckende und integrierte Angebote, um die Menschen dabei zu unterstützen, die die meiste Zeit mit unserem Nachwuchs verbringen: Unsere Erzieher*innen und Lehrer*innen. Digitale Lösungen sollte man aus meiner Sicht mit der nötigen technischen- und Medienexpertise erarbeiten, also mit Leuten vom Fach, die etwas von neuen Technologien, deren Möglichkeiten und auch Risiken verstehen. Und natürlich auch Hand in Hand mit denen, die sich in der Welt der Didaktik und Pädagogik zu Hause fühlen.

Während nun unterschiedliche Institutionen anfangen, ihre eigenen Süppchen zu kochen, kann man zunehmend die Gründung von Arbeitskreisen zum Thema Digitalisierung beobachten — “und wenn du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis”. Ich hätte da mal einen Gegenvorschlag: Wir bringen eine flexiblere Bildungspolitik an den Start und investieren in Bildung (mit Blick nach Schweden) — und ja, das beinhaltet auch die Forderung nach einer deutlichen Verbesserung des Zustands unserer zum Teil sehr maroden Schulen.

 

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