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Teil 2 | Datenschutz-Extremismus trifft Cloud-Aktionismus

In Teil I unserer zusammenfassenden Blog-Reihe zur Roadshow haben wir die Top 10 Herausforderungen für digitale Bildung und den DigitalPakt Schule vorgestellt. Wer glaubt, das war es schon, wird in diesem Artikel sein blaues Wunder erleben. In Teil II unserer Reihe haben wir uns ein paar besondere Leckerbissen herausgezogen, die es wahrlich in sich haben. Wir haben Fragen und Herausforderungen zusammengestellt, die nicht einfach auf die “Trumpsche” Art zu beantworten sein werden. Und doch! Sie müssen dringend offen angesprochen und von allen Akteuren diskutiert werden.

OER präsentiert sich als Wissenslücke im Bildungskontext

Freie Bildungsmaterialien oder auch Open Educational Resources (OER) führen nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung „[…] noch immer ein Schattendasein.“ (Quelle). Dieses Bild hat sich während unserer Roadshow bestätigt. Uns stellt sich die Frage, warum von vielen Akteuren OER lautstark gelobt oder gar als neues Allheilmittel der Bildungslandschaft angepriesen werden – obwohl diese Materialien a) bei der Zielgruppe überwiegend unbekannt sind und b) inhaltlich keinerlei Qualitätsprüfung unterliegen. Was also muss sich ändern, damit vor allem die guten Bildungsmaterialien (egal ob frei oder nicht) ihren Weg in die Schulen finden?

Medienbildung ins Studium verpflichtend integrieren

Die Kompetenzen „Suchen und Filtern“ oder „relevante Quellen identifizieren und zusammenführen“ zählen neben anderen zu den Kompetenzen in der digitalen Welt, welche die KMK in ihrem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2016 formulierte. Die Ergebnisse der Roadshow zeigen leider deutlich, dass eben diese Medienkompetenzen bei Lehrenden nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden dürfen. Dies gilt aber keineswegs nur für ältere Generationen, sondern gleichermaßen für junge Lehrkräfte und Referendare. Der Grund: Medienbildung ist leider bis heute noch immer nicht verpflichtend ins Lehramt-Studium integriert. Hier gibt es also dringenden Nachholbedarf.

Zum Glück haben wir auch mit Lehrkräften und Schulleitungen gesprochen, die sehr viel Input und Empfehlungen zum Lernen mit und über Medien geben konnten. Es zeigte sich eine Heterogenität, die wir so nicht vermutet hatten. Obgleich die Ergebnisse der Roadshow #DigitalpACT nicht als repräsentativ für Deutschland angenommen werden können, bestätigen gleichwohl verschiedene Untersuchungen unseren Eindruck (u. a. der Bericht zum Evaluationsprojekt Schulische Medienbildung im Land Brandenburg vom Dezember 2017, S. 45).

Länderübergreifend voneinander lernen

Ein Ziel unserer Roadshow #DigitalpACT war ein landesübergreifender, deutschlandweiter Blick auf das Thema Digitale Bildung. Dieser zeigt uns, dass die Länder viel voneinander lernen könnten. Es bestehen bereits viele gute Umsetzungskonzepte und Praxisbeispiele. Leider findet dieser Austausch – auf politischer Ebene, aber auch auf Arbeitsebene, zwischen einzelnen Lehrkräften oder Schulen – noch viel zu wenig statt. So wird die Chance verpasst, aus den Fehlern und Lösungen anderer zu lernen. Als recht junger Bildungsakteur wollen wir genau das aufbrechen. Die Digital-Gipfel-Plattform “Digitale Zukunft: Lernen. Forschen. Wissen.” unter der Leitung des BMBF gibt uns Recht. Mit unserer Roadshow haben wir den ersten Schritt gewagt und wollen dieses Wissen nun landesübergreifend teilen. Auf der Roadshow-Seite (hier geht es zur Übersicht) haben wir deshalb die aus unserer Sicht wichtigsten Unterstützungsangebote zur Medienbildung zusammengetragen. Ob Medienzentren, OER oder Fortbildungsangebote – die Liste ist relativ umfangreich und führt zu den Angeboten der jeweiligen Länder. Stöbern (vor allem auch länderübergreifend) ist unbedingt erwünscht. Und bevor die ersten gleich wieder meckern: Ja, die Übersicht ist nicht vollständig. Doch es ist ein Anfang und ist mit viel Engagement aller Beteiligten und ohne Unterstützung von Bund und Ländern entstanden. Ob Schulleitungen und Lehrende, Partnerunternehmen wie Conrad, bettermarks und AixConcept oder visionYOU selbst, gemeinsam können wir mit Stolz sagen: Ein neues Format des überregionalen Peer-Austausches zur digitalen Bildung ist angestoßen und es wird hoffentlich zahlreiche Nacharmer finden.

Nicht jedes Bundesland braucht eine eigene Schulnetzwerk- oder Cloud-Lösung.

Es gibt am Markt sehr gute externe Anbieter, darunter auch AixConcept, die sowohl Cloud- als auch Serverlösungen „können“ und mit Hilfe von Office 365 zukunftsrelevante und kollaborative Arbeitsweisen ermöglichen. Auch wichtige Medienkompetenzen lassen sich so fördern, darunter auch das notwendige gemeinsame Üben von digitaler Dokumentenablage oder die Anwendung von Office Programmen.

Wer eher auf Lernmanagementsysteme setzt (so wie Bremen), der findet beispielsweise mit itslearning ein in der Praxis erprobtes Lernmanagementsystem, das durch regelmäßige Netzwerktreffen Schulleitungen und Lehrkräften die Möglichkeit bietet, sich untereinander auszutauschen und Best Practice Beispiele zu teilen. Wir waren selbst vor Ort und haben uns von dem Spirit überzeugt.

Aus unserer Sicht sind diese Beispiele klare Sieger im Vergleich zu einer landeseigenen Cloudlösung. Warum? Erstens: es funktioniert. Das beweisen die Anbieter seit Jahren und die Entwicklung steckt nicht erst in den Kinderschuhen. Zweitens: es ist sofort einsetzbar. Wir sprechen im Zuge des DigitalPakts Schule davon, dass jetzt etwas passieren muss, um Medienbildung flächendeckend in die Schulen zu bekommen. Kollaboratives Arbeiten, der Zugang zu einer modernen Schul-IT-Lösung mit der Möglichkeit, digitale Lehr- und Lernmaterialien in einem System zur Verfügung zu stellen, all das sollte nicht erst in zwei bis drei Jahren möglich sein. Drittens: die Kosten sind kalkulierbar. Blickt man auf einige der gescheiterten Cloudlösungsansätze der Länder, kann man das von ihnen nicht gerade behaupten.

Datenschutz-Extremismus und Cloud-Aktionismus

Wir erleben aktuell eine völlig fehlgeleitete, fast schon absurde Diskussion zum Thema Datenschutz.

Datenschutz ist wichtig. Und Datenschutz ist auch in Schulen einzuhalten. Wir kennen keinen einzigen Akteur in der Bildungslandschaft, der dem widersprechen würde. Doch wir müssen auch hier mit Argumenten diskutieren und diese einem Realitätscheck unterziehen. Aktuell trifft man mancherorts auf Ansichten und Forderungen verschiedener Datenschützer, die an den Anforderungen der EU DS-GVO zum Teil vorbeischießen, wenig praktikabel sind und die Sachlage mitunter zu einseitig betrachten. So wurde Office 365 von einigen Ländern vorschnell verteufelt, ohne vorab konstruktive Gespräche mit beispielsweise Microsoft Deutschland geführt zu haben, um etwaige Missverständnisse aus der Welt zu räumen oder grundsätzliche Datenschutz-Bedingungen an diesen Anbieter zu adressieren. Dass es in Berlin nach wie vor Lehrerinnen und Lehrer gibt, die noch mit Windows XP arbeiten, scheint die Datenschützer hingegen nicht sonderlich zu stören. Immerhin hat Microsoft seinen Support für dieses Betriebssystem ja erst 2014 eingestellt (Quelle). #HackersWelcome

Anstatt sich fundiert mit den Herausforderungen auseinanderzusetzen, die sich datenschutzseitig beispielsweise für Cloud-Anwendungen ergeben und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, wird eine „eigene“ Cloud-Idee nach der anderen angestoßen. Dabei werden systematisch Kosten und (Zeit-)Aufwand unterschätzt, die eine funktionale Cloud mit sich bringt, welche den modernen Anforderungen an Funktionalität, Kapazität und Design genügt. Vom Datenschutz, laufenden Kosten (die ohne jeden Zweifel nach der Entwicklung zusätzlich als Kostenfaktor hinzukommen) und gutem Support, mal ganz abgesehen.

Dabei sollten die Kosten für ein ansprechendes UI/UX-Design nicht vernachlässigt werden. Auch in der Schule gilt: Intuitives, optisch ansprechendes und funktionales Design sind Grundvoraussetzung dafür, dass ein Angebot überhaupt genutzt wird.

Ach ja, und dann gibt es ja da noch die HPI Schul-Cloud. Endlich eine bundesweite Cloudlösung – oder doch nicht? Sie wird immerhin mit über 7 Mio. € aus Bundesmitteln gefördert, da könnte man ja meinen, das löst den Drang einiger Bundesländer ab, eine eigene Cloud zu entwickeln. Das ist allerdings offensichtlich bisher nicht der Fall – und auch diese Lösung kommt vergleichsweise spät, die aktuelle Pilotphase soll zunächst bis Juni 2021 auf alle 300 Schulen des Kooperationspartners MINT-EC ausgeweitet werden (Quelle). Auch hier sollten in der Nutzenbetrachtung die Folgekosten nicht vernachlässigt werden:

„Eine Frage wird auch sein, wer für die Kosten der Clouds aufkommt. Bei der „Schul-Cloud“ des HPI dürfen Schulen in der Pilotphase kostenfrei auf die Inhalte zugreifen. Später werden die Schulen oder die Bundesländer Lizenzen erwerben müssen, sagt Grella [Catrina Grella vom HPI, Anm. d. A.]. Auch die Wartung werde man wohl an einen kommerziellen Anbieter übergeben, wenn Schulen in großem Stil das Angebot nutzen.“ Quelle: Tagesspiegel

Jetzt blinden Cloud-Aktionismus walten zu lassen und weitere landesübergreifende „Cloud-Pilot-Projekte“, wie mit der HPI Schul-Cloud, anzugehen, nur weil es beim DigitalPakt Schule die „schöne“ Fünf Prozent Regelung gibt (siehe Verwaltungsvereinbarung § 8 Absatz 2, Punkt 1), halten wir für falsch.

Gerade jetzt sollte das Geld nicht einfach raugeschleudert werden, weil es die einfachste Lösung zu sein scheint, die bereitgestellten Mittel abzurufen. Die Wahl sollte auch hier auf das funktionalste sowie wirtschaftlich und technisch nachhaltigste Angebot fallen.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass es seit September ein neues Pilot-Projekt zur HPI Schul-Cloud in Brandenburg gibt. Wie viele Millionen sollen wohl diesmal für einen weiteren „Piloten“ ausgeben werden? Laut PNN sind 168 Millionen Euro für die nächsten Jahre eingeplant. Na dann…

Förderrichtlinien nicht zeitgemäß

Während Bayerns Programme die Dynamik, die mit der Digitalisierung einhergeht, verstanden haben, hängt der DigitalPakt Schule auf Bundesebene sowie manche Länder mit ihren Programmen noch weit hinterher. Laufende Lizenzgebühren und Kosten für Service und Support sind weiterhin unberücksichtigt, die Kosten für Fortbildung und Schulentwicklung bleiben ebenfalls außen vor. Es scheint fast so, als verstünde man nicht, wie die Prozesse in einer digitalisierten Welt funktionieren und wo die wesentlichen Kostentreiber liegen. Es besteht die Gefahr, dass zwar neue Technologien angeschafft, aber aufgrund von fehlendem Content und Kenntnisstand keine neuen Bildungsformate genutzt werden.

Woran wir zukünftig arbeiten und wofür wir Lösungen entwickeln sollten

Auseinandersetzung im Rahmen von Konnexitätsprinzipien zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben

Es drohen enorme Folgekostenerhöhungen, doch wer kommt dafür auf? Der Glasfaseranschluss ist die eine Sache. Die Kosten dafür können durch verschiedene Programme der Länder und des Bundes kofinanziert werden. Doch was ist mit den Folgekosten? Nach Aussagen einiger Träger scheint sich bereits jetzt abzuzeichnen, dass allein die monatlichen Anschlusskosten eine regelrechte Kostenexplosion mit sich bringen. Sofort stellen sich Fragen: Wer ist dafür zuständig, was davon fällt unter das Konnexitätsprinzip, wer trägt die Mehrkosten? Bis heute gibt es darauf keine Antworten.

E-Mailadressen für alle Lehrkräfte und Schüler

Für uns aus der Wirtschaft ist das kaum vorstellbar, doch bis heute haben nicht einmal alle Lehrenden in allen Bundesländern eine eigene Schul-E-Mailadresse. Allein das wäre mit kommerziellen Schul-IT-Managementlösungen sofort umsetzbar.

Neue Unterrichtskonzepte und -methoden

Projekt- und Praxislernen oder selbständiges, adaptives Lernen über Lernsysteme müssen viel mehr und viel schneller Einzug in die Schule finden. Auch Schule sollte mehr ein Ort werden, wo Möglichkeiten und Spielräume geschaffen werden, um neue Lehr- und Lernformate, auch fächerübergreifend auszutesten. So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Ansonsten finden zeitgemäße Anwendungen keinen Platz. Doch wir brauchen sie: Adaptive Lernsysteme für mehr individuelles Üben (z. B. bettermarks für Mathe), digitale Lehr- und Lerneinheiten via Apps für eine höhere Ausrichtung entlang der Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler (z. B. svipe zur Berufsorientierung), Micro-Learning-Angebote für schnelle kleine Learn-Sessions (z. B. zur Medienbildung oder Sprachtraining), interaktive und moderne Lernformate zur Entwicklung von Sozial- und Problemlösekompetenzen (z. B. eine Projektwoche zum Thema Nachhaltig Gründen). Interaktion und Immersion machen übrigens den Mehrwert der Digitalisierung und nicht die Verwandlung eines Dokuments in ein PDF.

Es ist an uns allen, das Bildungssystem für die Zukunft in einer digitalen Welt zu transformieren. Wir haben gezeigt, wo die Herausforderungen liegen. Deshalb unterstützen wir weiter, sind Ansprechpartner für Lehrende, Schulen, Schulträger und Politik, entwickeln in Kooperation mit anderen Bildungsanbietern weiter neue Bildungsformate und Online-Fortbildungen, geben Workshops, reisen durch die Republik, teilen unsere Erkenntnisse und hören hin. Was tun Sie?

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